In 340 Fällen rund um den Bankdatendiebstahl ermittelt derzeit das Landeskriminalamt (LKA). Vor einem Monat waren es noch rund 250 Fälle. Den enormen Anstieg um fast 40 Prozent binnen vier Wochen begründet Andreas Klingbeil, stellvertretender Leiter im zuständigen LKA 33, mit der "besonderen Aktivität der Täter und ihrer sehr hohen kriminellen Energie". Nach wie vor geht es bei den Angriffen um das sogenannte Phishing. Also den Versuch, an Bankdaten via PIN- und TAN-Nummern zu gelangen, um so die Konten der Betroffenen leer zu räumen. "Doch während zu Beginn der Welle vorwiegend mit E-Mails versucht wurde, die Kunden zur Preisgabe von PIN oder TAN zu bewegen", sagt der Kriminalhauptkommissar, "werden mittlerweile auf die Rechner der Bankkunden bevorzugt sogenannte Trojaner eingeschleust." Diese Programme würden – oft unbemerkt vom Nutzer – die Zugangsdaten abfangen und weiterleiten. "Wir haben Geschädigte, auf deren Rechner sechs, sieben Trojaner entdeckt wurden", berichtet Klingbeil. Auch bei den Schäden gibt es neue Entwicklungen. Räumten die Drahtzieher, die das LKA in Rußland, der Ukraine, zum Teil in Estland, aber auch in London lokalisiert, am Anfang im Schnitt Beträge zwischen 6000 und 12 000 Euro ab, reduzierten sich die Beträge, die sie illegal abbuchten, jetzt auf rund 3000 Euro. "Vermutlich soll damit erreicht werden, daß die Tat nicht so schnell entdeckt wird", sagt Klingbeil.
Erfolge bei der Aufklärung kann das LKA nur wenige vermelden. In den beiden Berliner Kommissariaten verfolgen 17 Beamte und drei Angestellte die Computerkriminalität. 340 Phishing-Fälle müssen zwei Kommissare und ein Angestellter bewältigen. "Zu wenig", sagt Andreas Klingbeil. "Wir kriegen zwar einige Mittelsmänner, können auch manchmal erreichen, daß die illegale Abbuchung angehalten wird, sofern die Anzeigen rechtzeitig bei uns ankommen." An die Haupttäter komme des LKA aber nicht heran. Da sei man darauf angewiesen, daß über Rechtshilfeersuchen an die russischen Behörden die Ermittlungen dort weitergeführt würden.
"Die Attacken sind ein Problem", sagt auch Kerstin Altendorf, Sprecherin des Bundesverbandes der Banken. Über Zahlen kann sie nicht sprechen. Die 250 Mitgliedsbanken würden auch dem Verband gegenüber darüber keine Auskunft geben. Sie rät allen Bankkunden zur besonderen Vorsicht: "Das Internet ist ein offenes System." Kunden sollten sich genau informieren. "Auf keinen Fall sollte man Überweisungen von einem Internetcafé aus vornehmen", sagt die Sprecherin, "der Kunde hat dort keinen Einfluß darauf, daß der PC virengeschützt ist, der Speicher regelmäßig geleert wird und Sicherheitseinstellungen vorhanden sind."
Noch ist nicht klar, ob die Phishing-Welle in Berlin und Deutschland insgesamt ihren Höhepunkt bereits erreicht hat, da bedroht bereits eine neue Variante, das sogenannte Pharming, die Konten der Online-Banker. "Dabei wird der Kunde beim Eingeben der Internet-Adresse seiner Bank im Browser auf eine gefälschte Bankseite gelotst, auf der er dann unbedarft PIN und TAN eingibt", erklärt Kriminalhauptkommissar Klingbeil. Fünf bis sechs Fälle seien in Berlin bereits aufgetreten. "Pharming wird das Phishing ablösen. Wie in den USA werden die Schäden dann weitaus höher als beim Phishing sein."
Quelle: <<www.welt.de>>